Sei Du der Wandel, den Du in der Welt sehen willst

 

Mit Ghandis Worten leitete am vergangenen Samstag Dieter Glogowski den 10.30 Uhr Vortrag auf dem Multimedia-Festival  "Weitsicht" in Darmstadt ein.

 

Er bat um eine Gedenkminute für die Opfer im Hinblick auf die Terroranschläge in Paris, bevor er im Programm fortfuhr.

 

Dieter Glogowski war sichtlich geschockt, bestürzt und bewegt von dem was in Paris passiert war. Wer war das nicht?

 

Mein Mann und ich. Wir saßen ahnungslos im Publikum und hatten bislang nichts davon mitbekommen.

Ich schaute sofort im Internet nach. Mehr als geschockt teilte ich meinem Mann mit, was in Paris passiert war. Seit dem beschäftigen mich die Fragen:


Wie gehe ich damit um? Wie unterstützt mich die GFK dabei, solche Nachrichten und Erlebnisse zu ertragen? Wie kann ich der Wandel in der Welt bleiben, den ich selbst leben will, ohne in die für mich alten Muster von Schuldzuweisungen, Rachegedanken oder Mißtrauen gegenüber allen möglichen anders denkenden Menschen Menschen zu verfallen?


Mir fällt derzeit nur ein Weg ein, der mich unterstützt. Der Weg der Selbsteinfühlung.

Der Schock ist bei mir noch zu groß, um mich in die Menschen einzufühlen, die für diese Anschläge verantwortlich sind. Zu schnell wandern meine Gedanken und auch Aussagen in Vorwürfe, Beschuldigungen und Verallgemeinerungen. Meine Wut und mein Ärger sind spürbar.

 

Die Selbsteinfühlung hilft mir dabei, mich wieder und wieder mit meinen Gefühlen und Bedürfnissen in für mich herausfordernden Situationen zu verbinden. Bin ich verbunden mit meinen Gefühlen und Bedürfnisse, kommen automatisch andere Gedanken zu mir und zur Situation. Es tun sich sogar Wege auf, die ich vorher nicht sehen konnte.

Mein Weg zur Selbsteinfühlung

Mich mit meiner Beobachtung verbinden:


Es gab an verschiedenen Stellen in Paris am vergangenen Freitag mehrere Explosionen und Selbstmordattentate. Es starben 129 Menschen. Der IS hat sich dazu bekannt.

 

 

Mich mit meinem Gefühl verbinden:

Schock, ich bin total geschockt. Gleichzeitig merke ich eine Wut in mir aufsteigen. Wut über die, die diese Anschläge verantworten.


Und ich spüre tiefe Trauer in mir. Trauer darüber, dass es unmöglich erscheint, in einer friedlichen Welt zu leben.


Es macht sich Hoffnunglosigkeit und Unsicherheit in mir breit. Und Verwirrung! Um was geht es denn bei diesen Anschlägen eigentlich?


Mich mit meinem Bedürfnis verbinden:

Sicherheit ist das Bedürfnis, das bei mir überhaupt nicht erfüllt ist.


Ich habe Angst, dass solche Anschläge immer häufiger vorkommen und immer näher rücken.


Wie geht das weiter? Wird es niemals eine friedliche Welt geben?


Ich habe Angst um unser friedliches Europa. Darum, dass meine Kinder in einer unsicheren und von physischer Gewalt geprägten Welt aufwachsen. Darum, dass solche Ereignisse, den Hass und die Gewaltbereitschaft gegenüber Andersdenkenden schüren. Und darüber, dass es zu immer neuen Eskalationen kommt, die noch mehr Gewalt und Terror nach sich ziehen.


Diese Angst verunsichert mich zutiefst.

Mich mit meiner Bitte verbinden

Ich habe zwei Bitten, die sich aus diesem Vorgang der Selbsteinfühlung für mich ergeben:


1. Praktiziere weiter Selbsteinfühlung.


Das heisst ganz konkret: Jeden Tag einmal. Fühle Dich jeden Tag zu einem festgelegten Zeitpunkt in Dich selbst ein. Erkunde Deine eigenen Gefühle und Bedürfnisse, die für Dich in Bezug auf die betrachtete Situation erfüllt oder auch unerfüllt sind. Schaue, was diese regelmäßige Praxis der Selbsteinfühlung mit Dir macht.


2. Mich bei Dieter Glogowski bedanken

Danke Herr Glogowski,

dass Sie die Veranstaltung mit den Worten Ghandis "Sei Du selbst der Wandel, den Du in der Welt sehen willst" eingeleitet haben. Und danke, dass Sie zur Gedenkminute aufgerufen haben.

 

Mir hat das in erster Linie Verbindung und Anteilnahme erfüllt. Gleichzeitig war es für mich eine Erinnerung, nicht in die alten Fallen der moralischen Bewertung und Beschuldigungen zu verfallen.

 

Diese Art des öffentlichen Umgangs mit den Anschlägen in Paris gibt mir die Hoffnung, dass es viele Menschen um mich herum gibt, die sich einer friedlichen Welt und einer konstruktiven Lösung von Konflikten verschreiben.

 

 

Hoffnungsvolle Grüße und guten Start in diese Woche

 

Ihre Birgit Schulze

 

Wie erging es Ihnen, als Sie von den Anschlägen in Paris hörten? Schreiben Sie es uns und unseren Lesenden.

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Kommentare: 5
  • #1

    Heiner Schwendener (Montag, 16 November 2015 10:57)

    "Auch wieder etwas näher bei uns" war ein sehr früher Gedanken bei mir. Und ziemlich rasch: Paris bewegt uns, was in Syrien passiert, was in Beirut (2 Tage vorher) passierte sowie an vielen anderen Orten - wird nach meinem Empfinden ausgeblendet von uns Menschen. Denken wir in Europa wirklich, dass wir durch diese Sache, die wir Europäer mitverursacht haben - Kolonialzeit - durchkommen, ohne unseren schmerzhaften Teil zur Lösung beizutragen? Ich glaube nicht, und würde mich gerne mit Marshall Rosenberg darüber austauschen um Klarheit zu gewinnen.
    Ja auch ich habe Bedenken zur Sicherheit, wobei die Rethorik in Europa mir noch mehr Angst macht.
    Empathie zu spüren, bei mir und anderen, ist mir wichtig und im Moment leider fast nicht vorhanden.
    Meine Bitte für mich Mut zu finden, gegen aussen mich mit meinen Fehlern dafür einzusetzen und immer ein kleines Bisschen besser zu werden darin.
    Danke für den Anstoss und Ihre Gedanken zum traurigen Ereignis.

  • #2

    Ingrid Zeller (Montag, 16 November 2015 11:09)

    Danke für die Worte, die Anregung - es hilft !

  • #3

    Birgit Schulze (Montag, 16 November 2015 11:34)

    Danke Herr Schwendener für Ihre Worte, die mich sehr beschäftigen. Austausch dazu ist mir
    sehr wichtig vor allem auf Basis der GFK. Gleichzeitig freue ich von Ihnen und auch von Frau Zeller zu lesen, das dieser Blog-Artikel ein Beitrag in diese Richtung sein kann.


  • #4

    Marita (Montag, 29 Februar 2016 19:55)

    DANKE den Anstoss und die Worte von Gadhi.
    Danke auch für die 4 Schritte hier noch mal aufgeschrieben!
    Ja, die Worte von Herrn Schwendener rufen auch diese unsere Realität in Erinnerung Danke auch dafür!
    ich merke dass ich nur über Selbsteinfühlung damit "weiter leben kann"...
    sonst wird die Hilflosigkeit zu gross.
    Marita

  • #5

    Birgit Schulze (Dienstag, 01 März 2016 19:32)

    Hallo Marita,
    danke für Deine Kommentar. Es klingt für mich, dass Dir die Erinnerung der vier Schritte eine Unterstützung sind und Dir dabei helfen, Dich in Selbsteinfühlung zu üben um.

    Mir geht es ähnlich wie Dir, dass ich viel Selbsteinfühlung brauche in Bezug auf das aktuelle politische Weltgeschehen.

    Viele Grüße Birgit